Damit der Winter nicht zu Ihrem persönlichen Lockdown wird

Die Corona Pandemie konfrontiert uns alle mit einer völlig unbekannten, nie dagewesenen Situation, die unser psychisches und physisches Wohlbefinden betrifft. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über die Corona-Pandemie öffentlich oder in den Medien gesprochen wird. Das stillt nicht nur das Informationsinteresse und dient nicht nur der Aufklärung. Es schürt auch Ängste, Ängste vor einer Infektion, Ängste vor deren berufliche, ökonomische und gesellschaftliche Konsequenzen. Die dadurch bedingte psychosoziale Belastung innerhalb der Bevölkerung steigt und erreicht damit eine ganz eigene Dimension.

Es konnte gezeigt werden, dass die gesamte Bevölkerung einen signifikanten Anstieg des Stressniveaus verzeichnen ließ1. Das Problem dabei: Verhalten, dass im Zusammenhang mit psychischer Belastung und Ängsten steht, erschwert die Umsetzung von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie (und Epidemie) und trägt so zur stärkeren Verbreitung des Virus bei2.

Ängste setzen einen Verdrängungsprozess in Gang: Ich verdränge Gedanken, die Angst in mir auslösen. Je stärker meine Angst, desto stärker die Verdrängung. Ängste und Verdrängung verstärken sich also gegenseitig.

Meine Reaktionen können aber nicht nur auf reale Gefahren zurückzuführen sein, sondern auf falsche und fehlende Informationen bzw. Gerüchte. Außerdem: Bei Pandemien geht es nicht nur um Viren, die Menschen infizieren. Denn Pandemien werden durch das Verhalten der Menschen verursacht oder eingedämmt. Unkontrollierte Angst ist hier ein schlechter Ratgeber.

Strategien gegen Ihren persönlichen Lockdown:

Damit Ihre Angst beziehungsweise Ihre belastenden Gedanken nicht überhand nehmen, empfehle ich Ihnen folgende Strategien zu verfolgen:

  • Nutzen Sie vermehrt das Internet / Telefon, um in Verbindung zu bleiben und Kontakt herzustellen
  • Strukturieren Sie den Alltag so, dass feste Aktivitäts-, Ruhe- und Schlafzeiten bestehen. Etablieren Sie kleine Routinen für den Alltag. Bauen Sie eine Grundstruktur für das Beziehungs- und Familienleben auf. Wie wäre es mit einem Ritual, zum Beispiel jeden Sonntag/jeden Abend einen Spaziergang oder jeden Tag ein Tagebucheintrag? Rituale können kurz und täglich, aber auch lang und nur wöchentlich begangen werden.
  • Vermeiden Sie den Konsum von Tabak, Alkohol oder anderen Drogen als Strategie zur Emotionsregulation.
  • Bauen Sie sinnvolle Aktivitätszeiten in Ihren Alltag ein: viel Bewegung, frische Luft, kreativ betätigen, lang aufgeschobene Tätigkeiten nachgehen, etwas Neues erlernen
  • Tun Sie Gutes für Andere: betroffene Menschen unterstützen, ihnen helfen; Einkäufe erledigen, Kontakt über Telefon, Internet pflegen
  • Spannungen und Probleme in der Gruppe, in der Familie, in der Gemeinschaft nicht verschweigen, nicht unterdrücken, sondern einen Rahmen finden, um diese zu besprechen. Ängste setzen einen Verdrängungsprozess in Gang: Ich verdränge Gedanken, die Angst in mir auslösen. Je stärker meine Angst, desto stärker die Verdrängung. Ängste und Verdrängung verstärken sich also gegenseitig.
  • Vertrauenswürdige Quellen (Robert-Koch-Institut, Bundesgesundheitsministerium) zur Informationsgewinnung zu Rate ziehen, anstatt sich von dramatisierenden Bildern verrückt machen zu lassen oder sich von Gerüchten leiten lassen.
  • Generell Konsum von potentiell beunruhigender Medienberichterstattung einschränken. Bewusst positive Nachricht lesen (wie z.B. die Zahl gesunder bzw. bereits genesener Menschen).
  • Mit Themen beschäftigen, Nachrichten lesen, Bücher und Magazine lesen, die keinerlei Bezug zu den aktuellen Ereignissen haben.
  • Ängste benennen, sich darüber austauschen. Sagen Sie Ihrem Partner, wie es Ihnen geht. Statt wortlos im Wohnzimmer oder im Hobbykeller zu verschwinden, genügt eine kurze Erklärung wie: „Sei mir bitte nicht böse, ich bin total erledigt, ich brauche jetzt mal eine halbe Stunde Ruhe, um wieder zu mir zu kommen.“. Offenheit und Transparenz schafft Sicherheit, so dass der andere Partner nicht das Gefühl haben muss, er hätte etwas falsch gemacht. Aber Vorsicht! Benutzen Sie Ihren Partner nicht als Blitzableiter. Es geht um Austausch, friedliche Kommunikation und nicht die „Sau rauslassen und sich auszukotzen auf Kosten des Anderen“, denn auf Dauer stehen Sie dann womöglich ohne Partner da. Also: Gefühle aussprechen und sich gegenseitig Raum lassen, um Stress abzubauen.
  • Wenn Ängste überhandnehmen, ist es empfehlenswert sich professionelle, d.h. psychotherapeutische Hilfe zu suchen.
  • Älteren Bekannten, Freunden, Verwandten, alleinlebenden Nachbarn einmal täglich ein Zeichen senden, um ihnen Mitgefühl und Unterstützung zu signalisieren. Wie wäre es mit einer Postkarte, die ganz überraschen kommt, eine Tafel Schokolade, die spontan vor der Tür liegt?

Sorgen und Ängste ernstnehmen

Wenn sich Ihnen jemand mit seinen Sorgen und Ängsten anvertraut, verkneifen Sie sich gut gemeinte Tipps wie: „Nimm dir das doch nicht so zu Herzen.“ „Versuch es doch mal mit X oder Y.“ „Jetzt reiß dich doch einfach mal ein bisschen mehr zusammen.“

Diese Sätze helfen nicht weiter. Sie schüren eher die Eskalation, weil der Hilfesuchende sich nicht verstanden und bevormundet fühlt. Er möchte schließlich in seinem Tempo und auf seine Art vorankommen. Das Zauberwort lautet: Empathie. „Ich sehe, dass dich das X gerade anstrengt. Willst du deine Ruhe haben?“ oder „Ich kann gut nac hvollziehen, wie du dich fühlst.“

Verständnis zeigen

Setzen Sie sich nicht unter den Druck, unbedingt eine Lösung anzubieten. Eine großartige Hilfe sind Sie, wenn Sie aufmerksam und empathisch zuhören, Verständnis zeigen. „Ich stehe hinter dir, egal was los ist. Ich bin für dich da, lehn dich an, wenn du dich da, lehn dich an, wenn du willst.“ Mehr brauche es oft erst einmal gar nicht. Erst später, wenn gewünscht, könne man vorschlagen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Hier bekommen Sie weitere Informationen:

>> Spezialseite der BZGA zum Coronavirus mit umfangreichen Informationen in mehreren Sprachen:
https://www.infektionsschutz.de/coronavirus.html

Telefonische Beratungsangebote:

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen
24h durchgehendes Angebot
08000-116016

Elterntelefon
Telefon kostenfrei; bundesweite Sondernummer: 0800-1110550
Mo und Mi 09.00 bis 11.00 Uhr
Di und Do 17.00 bis 19.00 Uhr

Kinder und Jugendtelefon
Telefon kostenfrei; bundesweite Sondernummer:
0800-1110333
Mo bis Fr 15.00 bis 19.00 Uhr

Deutsche Depressionshilfe
0800-3344533
Mo/Di/Do 13-17 und
Mi/Fr 8:30-12:30 Uhr

Hilfetelefon sexueller Missbrauch:
0800 2255530

Medizinische Kinderschutzhotline: 0800 1921000

Silbernetz e.V.: 0800 4708090

BIOS Opferschutz: 0800 70 222 40
Angebot für Menschen, die befürchten, gewalttätig gegenüber Angehörigen oder Menschen, die befürchten, gewalttätig gegenüber Angehörigen oder Kindern zu werden.Kindern zu werden.

Weißer Ring e.V.Weißer Ring e.V.: 116006

Psychologische und psychotherapeutische Versorgungsangebote:

Termin Servicestellen des Gesundheitswesens zur Vermittlung von Kontakten zu niedergelassenen Therapeuten im Rahmen der Nutzung der therapeutischen Sprechstunde (diese sind aktuell in der Abrechnung für Videosprechstunden geöffnet).

Termin Servicestellen (TSS) der KBV
116117
Internet: https://www.kbv.de/html/terminservicestellen.php

Für Selbstzahler und privat Versicherte sowie gesetzlich Versicherte, die eine Zusage für eine Kostenübernahme durch einen Psychotherapeuten in privater Niederlassung haben, kann auch der Psychotherapieinformationsdienst (PID) benutzt werden. Hier sind vermutlich mehr Kapazitäten als in der Niederlassung verfügbar.

Der Psychotherapie Informationsdienst PID ist erreichbar unter:
030 / 2 09 16 63 30

Montag 10-13 + 16-19 Uhr
Dienstag 10-13 + 16-19 Uhr
Mittwoch 13-16 Uhr
Donnerstag 13-16 Uhr

Die Suchmaske im Internet zur eigenständigen Suche nach Psychotherapeuten ist unter: http://www.psychotherapiesuche.de/Suchen.asp
PID: https://www.psychotherapiesuche.de/

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Bildnachweis: Dipesh Parmmarar auf Pixabay (erstes Bild), Willfried Wende auf Pixabay (zweites Bild), Alexas Fotos auf Pixabay (drittes Bild).

1 Pan American Health Organization: PROTECTING MENTAL HEALTH DURING EPIDEMICS 2006.
2 Shultz JM, Cooper JL, Baingana F, et al.: The Role of Fear Related Behaviors in the 2013 2016 West Africa
Ebola Virus Disease Outbreak. Curr Psychiatry Rep 2016; 18 (11): 104.